Ich habe mir die Studie "Standorte typisierter Unternehmen" aus dem Jahr 2004 noch einmal angeschaut und fand sie so interessant, daß ich mich hier nicht nur in einem Beitrag damit befassen möchte. Es wird also mehrere Beiträge zu dieser Studie geben.
In Gesprächen Ende 2003 diskutierte ich mit Redakteuren der Zeitschrift Manager Magazin Chancen und Risiken der 2004 anstehenden EU-Erweiterung insbesondere für deutsche Unternehmen.
Unter deutschen Unternehmen schien damals ein ziemlicher Frust zu herrschen über die ökonomischen Bedingungen in Deutschland. Unter anderem wurden sehr hohe bürokratische Hürden, hohe Steuern, hohe Personalkosten und allgemein schlechte Marktbedingungen in Deutschland beklagt. Die Zahl der Insolvenzen stieg jedes Jahr und es schien keine Besserung in Sicht. Eine Chance sahen Unternehmen vielfach nur noch in Betriebsverlagerung ins Ausland. Hierbei war die Frage nur noch, ob sie sich diese Verlagerung ökonomisch überhaupt noch leisten konnten, wie mir ein ausländischer „Chef-Abwerber" einmal sagte. Auch in Gesprächen, die ich zu dieser Zeit mit Unternehmen führte zeigte sich diese Stimmung. Unternehmen beklagten sehr laut die schlechten Bedingungen in Deutschland. Einwände, bei Standortfragen eine Gesamtbetrachtung aller relevanter Faktoren durchzuführen, also neben den Personalkosten und Steuern auch Faktoren wie Produktivität, Ausbildung der Arbeitskräfte, Marktnähe und Infrastruktur zu beachten, wurden oder wollten gar nicht mehr gehört werden. Die Stimmung über die deutsche Situation war nicht nur in Deutschland miserabel. Auch Unternehmen z.B. Aus Dänemark, Niederlande und Österreich beklagten sich mir gegenüber, daß „uns die deutschen Mittelständler als Kunden wegbrechen. Es wird Zeit, daß Ihr in Deutschland Eure Hausaufgaben macht."
Aus dieser Problematik heraus entstand die Studie „Standorte typisierter Unternehmen in Europa". Ziel war, für 3 große Branchentypen zu untersuchen, wo liegen für diese Unternehmen die besten Standorte und wie sind deutsche Regionen in diesem Vergleich aufgestellt.
Die Unternehmenstypen:
- klassischer Industriebetrieb
- High-Tech-Unternehmen
- Dienstleistungsunternehmen
Natürlich gibt es diese typisierten Unternehmen eigentlich nicht, da jedes Unternehmen ganz individuelle Anforderungen an einen Standort stellt. Jedoch lassen sich Tendenzen für die Relevanz einzelner Standortfaktoren zeigen. Daher läßt sich nicht sagen, daß für jeden Industriebetrieb der in der Studie ermittelte beste Standort auch wirklich der geeignete Standort ist. Es läßt sich jedoch sagen, daß die in dieser Studie ermittelten besten Standorte tendenziell für diese typisierten Unternehmen deutlich bessere Voraussetzungen bieten als die im Mittelfeld oder hinten liegenden Standorte.
Die Standortanalyse wurde für sämtliche Regionen der alten EU sowie der damaligen Beitrittskandidaten, ausgenommen Malta und Zypern, durchgeführt. Rumänien und Bulgarien waren damals noch keine Beitrittskandidaten, waren daher ebenfalls von der Analyse ausgeschlossen. Als Methode kam ein Ranking mittels unserer Analysesoftware zum Einsatz.
Das Manager Magazin titelte in Ausgabe 5/2004 „Abriss Ost - Aufbau Ost" und faßte die „erschreckenden" Ergebnisse der Studie wie folgt zusammen: „Ob als Standort für klassische Industrien, für einfache Dienstleistungen oder für Hightech-Investitionen - in allen Disziplinen belegen selbst die besten deutschen Regionen nur mittlere Tabellenplätze."
Im nächsten Beitrag werden die Ergebnisse der Studie für den Bereich der klassischen Industrie vorgestellt.
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